IM GESPRĂ„CH MIT
Autor/in: DANIEL BURSTON / DWP
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die AutorInnen der Leitartikel vor.
Damit wollen wir unseren Lesern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Daniel Burston aus Pittsburgh, U.S.A zu begrüßen:
Er ist außerordentlicher Professor und ehemaliger Vorsitzender der Abteilung für Psychologie an der Duquesne Universität in Pittsburgh, Pennsylvania. Er ist aufgewachsen und ausgebildet worden in Toronto, Kanada. Er erhielt seinen
Bachelor with Honours in Politikwissenschaften an der Universität York im Jahr 1979 und erwarb seinen M. A. in
Social and Political Thought an der Universität York im Jahr 1981, sein Doktorat folte im Jahr 1985. Außerdem erwarb er einen Doktortitel in Psychologie an der Universität York im Jahr 1989. Er ist verheiratet mit zwei Kindern. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Zeitschriftenartikel über die Geschichte der Psychologie, Psychiatrie und Psychoanalyse, darunter
The Legacy of Erich Fromm, The Wing of Madness: The Life and Work of R.D. Laing, und
Erik Erikson and the American Psyche: Ego, Ethics and Evolution.
DWP: Was brachte Sie zur Psychoanalyse?Daniel Burston: Vor allem zwei Sachen. Das eine war jugendliche Neugier, das andere das Bücherregal meiner Eltern, wo unter anderem Bücher von Freud, Anna Freud, John Bowlby, Erich Fromm, Erik Erikson, etc. standen. Die Tatsache, dass diverse Freunde meiner Eltern Psychologen, Psychiater oder Psychoanalytiker waren und sehr anregende Gesprächspartner waren, hatte wohl auch einen gewissen Einfluss auf mich.
DWP: Haben Sie sich je einer Psychoanalyse unterzogen? Oder würden Sie sich gerne einer unterziehen?Daniel Burston: Nein, nicht als solche. Jedoch unterging ich für 3Jahre eine psychodynamische Psychotherapie und ergänzte diese mit ausführlichen Traumtagebücher und einer Selbstanalyse (davor, währenddessen und danach).
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden. Gibt es konkrete Fragen?Daniel Burston: Das ist eine exzellente Frage – aber nach einiger Überlegung, bin ich mir sicher, dass die Antwort wahrscheinlich jedes Jahrzehnt meines (Erwachsenen)Lebens, anders lauten würde. Zu diesem Zeitpunkt – (Ich bin 61) – würde ich mich über seine ambivalente Beziehung zum Judentum unterhalten und ihn über seine Gedanken zum heutigen Israel bitten.
DWP: Stoff- oder Ledercouch?Daniel Burston: Tut mir leid, aber ich verstehe die Frage nicht. Wenn Sie danach fragen welche Couch mein Psychotherapeut benützt hat, ist die Antwort Stoff.
DWP: Ganz nach Bruno Bettelheim, der auf die Bedeutung vom Märchen hinwies. Verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens?Daniel Burston: H m m m . . . Ich war in meinen Zwanziger Jahren von Märchen fasziniert und hätte wahrscheinlich damals sofort eine Antwort parat gehabt. Die Wahrheit aber ist, dass ich nicht mehr an Märchen gedacht habe, seit meine Kinder klein waren. Zurzeit, würde ich wohl sagen der Zauberer von Oz. Die Charaktere des Feigen Löwen, des Blechmannes und der Vogelscheuche repräsentieren Personen, denen Mut, Herz und Verstand fehlt in einer wundervollen sinnbildlichen Art und Weise. Man begegnet ihnen jeden Tag. Der Zauberer selbst ist auch eine faszinierende Gestalt. Sobald man ihn durschaut hatte - seine Selbst verherrlichenden Tricks und sein ganzes Gehabe – entzieht er sich dieser schamvollen Tatsache indem er völlig willkürliche Gesetze erlässt, die sich gegen Dorothys Begleiter (die sich selbst nichts zu schulden kommen ließen) richten; ähnlich wie in modernen Universitäten - zumindest in Nordamerika.
DWP: Ich träume…..Daniel Burston: Oh, alle möglichen Sachen! (Wer nicht?)
DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. besonders gut und gibt es etwas was Sie an ihr nicht mögen?Daniel Burston: Die Antwort zu dieser Frage hängt sehr davon ab, ob wir von der Freud’schen Psychoanalyse oder über eine der vielen zeitgenössischen Schulen sprechen. Ich werde meine Antwort auf Freud und Co einschränken.
Die „Grundregel“ der Psychoanalyse drängt uns dazu komplett offen und ehrlich zu sein; natürlich nicht jeden Tag, oder zu jedem, aber in einer sicheren Umgebung, wo wir uns, uns selbst gegenüber entblößen können und gegenüber einer anderen Person, in Vertrauen. Die Vorstellung, dass Selbsterkenntnis und der Verzicht auf Illusionen (über uns selbst und andere) in sich selbst wertvoll ist – unabhängig von der Natur und Schwere des Symptoms- ist sehr anziehungskräftig. Eine direkte Fortführung der Orphischen Vorschrift: „Kenne Dich selbst!“
Was ich nicht mag bei dem orthodoxen Freudianismus ist Freuds franker Elitismus und seine anti Demokratischen Vorurteilen, welche öfters in seiner Korrespondenz mit Mitgliedern seines engsten Kreises und in Massenpsychologie und Ich-Analyse hervortreten.
DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud?Daniel Burston: „...aber endlich muß man beginnen zu lieben, um nicht krank zu werden, und muß erkranken, wenn man infolge von Versagung nicht lieben kann.“ (Zur Einführung des Narzißmus, 1914)
DWP: Außer Sigmund Freud, gibt es Psychoanalytiker mit denen Sie sich auch gerne auseinandersetzen?Daniel Burston: Oh ja, viele! Ich habe Bücher über Erich Fromm, R.D.Laing, Erik Erikson geschrieben und zuletzt Karl Stern, der so etwas wie ein Ausreißer war, nachdem er nie von der IPA akkreditiert wurde. Dennoch nahm er Freuds Theorie und Technik sehr ernst in seiner eigenen Anwendung, und er machte selbst einige wichtige Beiträge.
Fromm, Erikson und Stern machten sich Namen in Nordamerika in den vierziger und fünfziger Jahren. Aber in erster Linie, waren sie alle deutsch-jüdische Flüchtlinge, die der Nazi-Bedrohung zwischen 1933-1935 flohen. Aber ich bewundere auch die Arbeit der britischen Analytiker, die Ronald Laing kannten (oder bekannt waren), darunter Ronald Fairbairn, Harry Guntrip, D. W. Winnicott, Charles Rycroft und Peter Lomas. Ich habe auch ein gutes Stück von Klein, Lacan und deren Anhängern studiert.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!