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Leitartikel


DER WIENER PSYCHOANALYTIKER möchte nicht nur bereits international etablierten Psychoanalytikern/Innen, sondern auch noch unbekannten Psychoanalytikern/Innen die Gelegenheit geben einen selbstverfassten, bisher noch nicht publizierten Artikel auf der Titelseite unseres Onlinemagazins zu posten!

Im Forum werden dann dazu alle User Stellung nehmen, Fragen formulieren und kommentieren können. Wir wollen dadurch einen bisher so noch nicht dagewesenen, internationalen Gedankenaustausch zwischen Psychoanalyse-Interessierten ermöglichen.
Aktuelle Textsprache ist Deutsch und/oder Englisch.

Bei Interesse, Ihre Zusendungen bitte an:
leitartikel@derwienerpsychoanalytiker.at


(Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen oder weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.)

IM GESPRĂ„CH MIT

Autor/in: JULIE RESHE

(04.05.2016)
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In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die AutorInnen der Leitartikel vor.
Damit wollen wir unseren Lesern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche haben wir erstmals die große Ehre, dass eine Autorin bereits zum zweiten Mal für uns schreibt.
Daher die Vorstellung ihrerseits heute leicht abgeändert zu der vom ersten Mal.
Julie Reshe´s erstes Interview können Sie, liebe Leser, hier nachlesen: http://www.derwienerpsychoanalytiker.at/index.php?wbkat=8&wbid=437
und Julie Reshe´s ersten Artikel finden unsere eingeloggten User hier vor: http://www.derwienerpsychoanalytiker.at/index.php?log=2&wbkatlog=8&wbidlog=439



Wir freuen uns ganz herzlich wieder Julie Reshe aus Wyoming, Michigan begrüßen zu dürfen:

Sie ist Professorin der Philosophie am Global Center for Advanced Studies (in den Vereinigten Staaten), Gastprofessorin an der Alma Mater Europaea (Slowenien) und Direktorin des Instituts für Psychoanalyse (GCAS). Sie unterrichtet Klassen in Neurophilosophie (mit Catherine Malabou), Psychoanalyse, die Philosophie der Mutterschaft (mit Bracha L Ettinger und Katja Kolšek) und in Philosophie der Kindheit. Reshe beendete ihr PhD unter Supervision von Alenka Zupančič am Institut für Philosophie der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Reshe hat eine Reihe von Bucheinträgen geschrieben und wissenschaftliche Artikel veröffentlicht in russisch- und englischsprachigen Top Zeitschriften. Sie ist auch die Autorin von mehr als 80 populären Artikeln über Philosophie, Neurophilosophie und Psychoanalyse.


Inspirierende Zitate:

"Freuds Gedanken sind ständig offen für Revision ... ein Gedanke in Bewegung" (Lacan J., Das Seminar von Jacques Lacan, Cambridge: Cambridge University Press, 1988, S. 1.)

Freud selbst hat nie behauptet, dass seine Gedanken eine etablierte und bewährte Lehre zum Ausdruck bringen. Freuds Theorie ist eine Sammlung von Vermutungen und Skizzen, die weitere Forschung, die Verbesserung und Bestätigung erfordern (das ist etwas, das Freud selbst immer betonte). Zum Beispiel von der Biographie über Freud ist bekannt, dass er zum Beispiel seine "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie", mehrfach ergänzt und neu überarbeitet hat. Über die zwanzig Jahre, währenddessen verschiedene Versionen dieser Arbeit veröffentlicht wurden, haben sich die Veränderungen die Freud gemacht hat, fast verdoppelt. Insbesondere wurden die Abschnitte über die infantile Sexualität und prägenitalen Entwicklung nur neun Jahre nach dem Erscheinen der ersten Version der Arbeit hinzugefügt. Im Jahr 1923 gestand Freud selbst, dass in seiner praktischen Forschung, es oft passiert sei, dass was alt und das was neu war, nicht miteinander übereingestimmt hat und somit nicht in eine völlig widerspruchsfreies Werk zusammengeführt werden konnte und er daraufhin seine Überlegungen rücksichtslosen Revisionen unterziehen musste.

„Die Mängel unserer Beschreibungen [des Geistes] würden wahrscheinlich verschwinden, wenn wir anstatt der psychologischen Termini schon die physiologischen oder chemischen einsetzen könnten...... Die Biologie ist wahrlich ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten, wir haben die überraschendsten Aufklärungen von ihr zu erwarten und können nicht erraten, welche Antworten sie auf die von uns an sie gestellten Fragen einige Jahrzehnte später geben würde. Vielleicht gerade solche, durch die unser ganzer künstlicher Bau von Hypothesen umgeblasen wird.“ (Freud, Jenseits des Lustprinzips, 1920 S.65)

Freud war nicht nur der Vater der Psychoanalyse, sondern auch ein Krypto-Biologe. Er bewunderte Biologie und sah die Zukunft seiner Ideen in ihrer Erforschung. Die Psychoanalytische Theorie ist in einer biologischen Art des Denkens verwurzelt. Es ist unmöglich, das Vermächtnis von Freud richtig zu analysieren, wenn man sie von diesem wissenschaftlichen Kontext ausschließt.

"If we assume that the fibrils of the nerve fibre have the significance of isolated paths of conduction, then we would have to say that the pathways in which the nerve fibres are separate are confluent in the nerve cell: then the nerve cell becomes the ´beginning´ of all those nerve fibres anatomically connected with it… I do not know if the existing material suffices to decide this important problem. If this assumption could be established it would take us a good step further in the physiology of the nerve elements: we could imagine that a stimulus of a certain strength might break down the isolated fibres, so that the nerve as a unit conducts the excitation, and so on.” (from: The PrePsychoanalytic Writings of Sigmund Freud, ed. G. van de Vijver & F. Geerardyn. London: Karnac, 2002, pp. 20-21)
[Quote not found in English translated by DWP]
"Wenn wir davon ausgehen, dass die Fibrillen der Nervenfaser, die Bedeutung von isolierten Leitungsbahnen haben, dann könnten wir sagen, dass die Art, in denen die Nervenfasern getrennt sind Konfluenz in der Nervenzelle ist: dann wird die Nervenzelle der ´Anfang´ von all diesen Nervenfasern, die damit anatomisch verbunden wären ... Ich weiß nicht, ob das vorhandene Material genügt, um dieses wichtige Problem zu lösen. Falls diese Annahme bestätigt werden könnte, würde es uns einen guten Schritt weiter in der Physiologie der Nervenelemente bringen: wir könnten uns dann vorstellen, dass ein Reiz von einer gewissen Stärke die isolierten Fasern aufbrechen könnte, so dass der Nerv als eine Einheit die Erregung leitet, und so weiter "(aus The PrePsychoanalytic Writings of Sigmund Freud, ed. G. van de Vijver & F. Geerardyn. London: Karnac, 2002, pp. 20-21)

Nachdem Freud zunächst als Neurologe ausgebildet wurde, arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physiologie unter der Leitung von Ernst Brucke, ein hervorragender Physiologe seiner Zeit. Unter anderem erforschte Freud die Beziehung zwischen der grauen Substanz und den Nervenfasern. Das Zitat ist aus einem Vortrag von Freud (1884), wo er seine wissenschaftlichen Beobachtungen beschrieb. Diese Passage zeigt die Fortschrittlichkeit von Freuds wissenschaftlichen Annahmen.
Freuds Forschung verblieb im Hintergrund, trotz der Tatsache, dass diese Passage aus seinem Vortrag, sieben Jahre vor der Anerkennung von Cajal´a Neuron Doktrin, gehalten wurde. Diese Gedanken von Freud können als Beweis dafür angesehen werden, dass er der führende Wissenschaftler seiner Zeit war.


Herzlichen Dank für diese Einführung, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!



Kontakdaten der Autorin:
Julie Reshe


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