IM GESPRĂ„CH MIT
Autor/in: EVELYN BĂ–HMER-LAUFER / DWP
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor.
Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Evelyn Böhmer-Laufer aus Wien, Österreich zu begrüßen:
1950 als Kind von Shoah Überlebenden geboren.
1968 Matura und Bacchalauréat am Lycée Français de Vienne.
1968 – 71: Studium an der Universität Wien (Psychologie, Judaistik, Romanistik)
1971 – 73: Studium an der Hebräischen Universität Jerusalem (Hauptfach Psychologie). Master of Arts (Hebräische Universität) und Magistra Phil. (Universität Wien).
Zeitlebens vom Wunder des Überlebens geprägt, verweigert sich Evelyn Böhmer-Laufer dem Gedanken, dass etwas unmöglich sei und neigt zum Brückenbau zwischen scheinbar unvereinbaren Polen.
1971 Emigration nach Israel, 1991 Rückkehr nach Wien.
1974 - 76 Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin (ÖGVT, Wien)
19991 – 95: Psychoanalytische Ausbildung (WAP, Wien)
1970– 90: Psychotherapie - Erziehungsberatung und Kinder- und Erwachsenen Psychotherapie, sowie Lehr- und Supervisionstätigkeit (Hebräische Universität).
1992: Gründungsmitglied der Psychoanalytischen Beratungsstelle des WAP
1992-98: Gründung und Leitung des Böhmer-Laufer Psychosozialen Praktikums im Maimonides Zentrum (BLPP/Senioren)
Seit 2004: Gründung und Leitung des Projekts Peacecamp (BLPP/Jugend)
Oktober 2013: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
DWP: Was brachte Sie zur Psychoanalyse? Evelyn Böhmer-Laufer: „Psychopathologie des Alltagslebens“ und „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ von Freud, gelesen als 17-Jährige als Teil des Philosophie - Unterrichts in der Schule: Mich faszinierte die Vorstellung, dass es in uns Kräfte gibt, von denen wir nichts wissen, die uns aber steuern, ja, unserem bewussten Denken entgegensteuern, unserem rationellen Planen ein Haxel stellen. Mir gefielen die Zeichen, die das Unbewusste sendet und die detektivische Deutungsarbeit, mit deren Hilfe man ihnen auf die Schliche kommen kann.
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden. Gibt es konkrete Fragen? Evelyn Böhmer-Laufer: Ich würde ihn fragen, ob er wie ich enttäuscht ist über die Entdeckung des Todestriebes, des Destruktionstriebes - über den dem Menschen innewohnenden Drang zur Zerstörung. Ich wollte das lange nicht glauben, dachte, dass eine „genügend gute“, liebende, Sicherheit spendende Umwelt dafür sorgen könne, dass Menschen mehr Liebe als Hass, mehr Libido als Thanatos in sich tragen; wollte Sadismus, Masochismus, den Drang zur Zerstörung, Gier, Neid als Symptome ansehen und nicht als universelle Anteile jedes Menschen.
DWP: Stoff- oder Ledercouch? Evelyn Böhmer-Laufer: Stoff mit abnehmbarem, waschbarem Überwurf und bunten Kissen – Leder finde ich kalt.
DWP: Ganz nach Bruno Bettelheim, der auf die Bedeutung vom Märchen hinwies. Verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens? Evelyn Böhmer-Laufer: Meine Lieblingsmärchen sind die, die ich mir selbst erzähle „
Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“ (Theordor Herzl),
„Si tu n´existais pas déjà... je t´inventerais" (“Würdest du nicht existieren, würde ich dich erfinden“ – ich weiß nicht mal, von wem dieser Songtext stammt): Mein ältestes Hobby ist Wunschdenken, und ja, ich glaube an die Möglichkeit, sich Wirklichkeit herbei zu träumen. Man muss nur fest genug daran glauben und darf nicht aufhören, daran zu arbeiten....
Ich liebte die Erzählungen von Erich Kästner, besonders das „Doppelte Lottchen“ – weil ich mir selbst eine Zwillingsschwester herbei fantasierte, ein alter Ego, eine Verdoppelung meiner Selbst, eine Seelenverwandte. Eine zum immer liebhaben und immer unterstützen.
Ein anderes Buch das ich liebte: „Die Regenbogenkinder“ mit persönlicher Widmung der Autorin Joséphine Baker. Es handelt von einer „Familie aus verschiedenen Rassen und Hautfarben“ und von Kot-Kot, dem kleinen schwarzen Küken, das in dieser Regenbogenfamilie sein zu Hause fand.
DWP: Ich träume… Evelyn Böhmer-Laufer: Ich träume immer noch davon, die Kraft und die Möglichkeit zu haben, in der Welt etwas verändern zu können.
Als Kind fantasierte ich, ich könne fliegen; oder auf einer Bühne stehen und irgendetwas Tolles vollbringen. Oder etwas ganz Wichtiges zu entdecken, zu erfinden. Jetzt denke ich immer noch darüber nach, was ich einmal werden könnte, wenn ich groß bin. WENN ich einmal groß bin. Also ja – ich träume von, nein ich glaube an die Möglichkeit, dass Menschen lebendig bleiben und sich weiter entwickeln können bis sie sterben.
DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. besonders gut und gibt es etwas was Sie an ihr nicht mögen? Evelyn Böhmer-Laufer: Die Psychoanalyse veranlasst mich, dem Menschen und seinen Schwächen mit mehr Milde und Nachsehen zu begegnen: so Vieles, das uns antreibt, ist, ist und war immer da, in jedem von uns. Die Psychoanalyse zeichnet ein fehlerhaftes Menschenbild. Die psychoanalytische Technik macht es möglich, über sich selbst mehr zu erfahren, und dadurch den eigenen Handlungsspielraum immer wieder zu vergrößern. Ich mag prinzipiell den Gedanken: „Wissen ist Macht“ oder „wo Es war, soll Ich werden“.
Was ich nicht mag, sind KollegInnen, die Psychoanalyse als ein Dogma ansehen, dem sich Menschen (Klienten) unterzuordnen haben. Meiner Meinung nach verkennen diese Kollegen das Wichtigste. Therapeutisch ist die Begegnung der am analytischen Prozeß beteiligten zwei Personen, Analytiker und Klient. Ich würde immer eher die Technik dem Menschen anpassen als umgekehrt.
DWP: Welchen Herausforderungen mussten Sie sich während Ihrer analytischen Ausbildung stellen? Evelyn Böhmer-Laufer: Die größte Herausforderung ist es, authentisch und sich selbst treu zu bleiben, sich nicht von schulspezifischen Imperativen knebeln zu lassen. Als Lernende musste ich Supervisoren Passagen, die ich selbst (und mein Klient) als am meisten Gewinn bringend empfand, verschweigen, um mir nicht den Vorwurf machen zu lassen, ich würde von der „korrekten“ Technik abweichen; sie nicht beherrschen. Nun möchte ich aber zwar Technik beherrschen, mich aber von ihr nicht beherrschen lassen.
DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud? Evelyn Böhmer-Laufer: „Wo Es war soll Ich werden“
DWP: Außer Sigmund Freud, gibt es Psychoanalytiker mit denen Sie sich auch gerne auseinandersetzen? Evelyn Böhmer-Laufer: D.W. Winnicott. Niemand hat wie er die Mutter-Kind-Beziehung der ersten Monate und ihren Beitrag zur Entwicklung des Selbst so einprägsam beschrieben. Und Margaret Mahler mit ihrer wunderbar nachvollziehbaren Darstellung der langsamen, sich über die ersten drei Lebensjahre erstreckenden „psychologischen Geburt“ des Menschen.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!