IM GESPRÄCH MIT
Autor/in: JEFFREY MOUSSAIEFF MASSON / DWP
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor.
Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Jeffrey Moussaieff Masson zu begrüßen:
Nun, ich wurde 1941 in Chicago, USA, geboren. Viele Jahre lang habe ich Sanskrit an verschiedenen Universitäten (UC Berkeley, U von Toronto) unterrichtet und wurde in Toronto im Jahr 1971 als Psychoanalytiker ausgebildet und graduierte als Vollmitglied der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung im Jahr 1979. Ich war kurze Zeit Projektleiter des Sigmund Freud Archives. Ich wurde 1981 entlassen und meine Mitgliedschaft in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung wurde widerrufen. Ich veröffentlichte „Assault on Truth: Freud´s Repression of the Seduction Theory im Jahr 1984, und die Freud-Fließ Briefe in 1985. Seitdem habe ich ca. 27 Bücher veröffentlicht einige über Psychiatrie, andere über Tiere und einige über andere Themen. Ich bin verheiratet mit einer Deutschen Kinderärztin und habe eine Tochter aus früherer Ehe, die in Kalifornien als Gesundheits- und Krankenpflegerin lebt und zwei Jungen mit Leila Masson, Ilan 18, der an der Universität von Melbourne ist und Manu 13, der mit uns in Berlin wohnt. Wir werden nach Sydney, Australien, im Januar 2016 ziehen. Zurzeit schreibe ich einen Roman über den Holocaust, der vorläufig den Titel Évian 1938 hat und in Wien, Genf, Berlin, Málaga und Évian stattfindet.
DWP: Unbestritten ist die Herausgabe der Freud Fließ Briefe unermesslich kostbar für die Psychoanalyse, weil sie zum einem nicht nur den jungen Freud am Leben erhält sondern auch seine Beziehung zu Fließ und die Entwicklung der Psychoanalyse wiederspiegelt. Glauben Sie auch, dass Freud die Fließ Briefe vernichtet hat? Wenn ja warum? Falls nein, haben Sie eine Vermutung wo diese sein könnten? Jeffrey Moussaieff Masson: Ich fürchte, dass Freud die Fließ Briefe vernichtet hat. Ich glaube nicht, dass er es getan hat um irgendwelche dunklen Geheimnisse zu vertuschen, sondern einfach, weil die meisten Menschen die Briefe, die sie erhalten, nicht aufbewahren. Ich bewahre sie sicherlich nicht auf. Ich denke, es ist erstaunlich, dass Fließ Freuds Briefe aufbewahrt hat, zumal, wenn man bedenkt, dass Sie sich später zerstritten hatten. Wir können wirklich glücklich sein, dass wir die haben. Sie sind tatsächlich eines der größten Dokumente in Bezug auf die Geistesgeschichte in der ganzen Welt.
DWP: In den Freud Fließ Briefen wird deutlich, dass auch Briefe fehlen die Sigmund Freud an Wilhelm Fließ geschrieben hat, haben Sie da je Anhaltspunkte erhalten/gefunden, was mit denen passiert sein könnte, ob diese vielleicht noch existieren? Jeffrey Moussaieff Masson: Das habe ich gar nicht realisiert. Aber es ist schon so viele Jahre her, dass ich daran gearbeitet habe, ich kann mich irren. Aber ich bin überzeugt, dass alle Briefe, die Anna Freud ursprünglich hatte, erhalten geblieben sind. Ich bin sicher, dass sie nie etwas zerstört hat.
DWP: Sie erwähnen, dass Sie nach dem Konflikt nie mehr Kontakt zu Anna Freud hatten; Hatten Sie je Kontakt mit anderen Mitgliedern der Familie Freud, bzw. hat es einen Versuch der Kontaktaufnahme gegeben? Jeffrey Moussaieff Masson: Nein, ich glaube, ich war für eine Weile in Kontakt mit Sophie Freud Loewenstein, aber es kam nicht viel dabei heraus. Ich fürchte, ich bin eine Persona non grata für die erweiterte Familie Freud, und leider sogar für die meisten Analysten!
DWP: Wenn Sie heute an Sigmund Freud und an die Psychoanalyse denken, welche Gefühle und Einstellungen kommen in Ihnen hoch? Wie denken Sie heutzutage von der Psychoanalyse und den Psychoanalytikern? Jeffrey Moussaieff Masson: Nun, es war schwer für mich, objektiv zu bleiben, da ich direkt betroffen/gelitten habe. Mein bester Freund zu der Zeit, der eine wichtige Figur in der Welt der internationalen Psychoanalyse geworden ist, wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich sah Psychoanalytiker buchstäblich die Straßenseite wechseln, um nicht Hallo sagen zu müssen. Das waren Menschen, die mir nur wenige Stunden davor freundlich gesinnt waren! Das hat mir nicht unbedingt viel Vertrauen in die menschliche Natur eingeflößt. Ich glaube nicht, dass ich auch nur einen einzigen Analysten heute kenne.
DWP: Wie wir wissen, beschäftigen Sie sich seit Jahren nicht mehr mit der Psychoanalyse, leben aber in Berlin, in einer der geschichtsträchtigsten Städte in Hinblick zur Psychoanalyse. Sind Sie da manchmal versucht den Spuren der Psychoanalyse wieder zu folgen? Jeffrey Moussaieff Masson: Na ja, eigentlich lebe ich zurzeit in Málaga. Aber ja, ich werde in ein paar Wochen nach Berlin gehen und sechs Monate dort verbringen. Ich werde auch Wien besuchen und ich hoffe während meines Aufenthaltes Forschung für einen Roman betreiben zu können, den ich gerade schreibe über die Konferenz von Évian im Jahr 1938, die von Präsident Roosevelt einberufen wurde, um zu sehen, ob etwas getan werden könnte, um den Juden zu helfen (nichts wie sich herausstellte). Nachdem Hitler tatsächlich einen jüdischen HNO-Arzt aus Wien, Heinrich von Neumann, gezwungen hatte an der Konferenz teilzunehmen und das Resultat ist, dass fast nichts von ihm bekannt ist, oder was mit ihm passiert ist. Das fasziniert mich.
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl Thema werden, außer der Verführungstheorie sein? Gibt es konkrete Fragen? Jeffrey Moussaieff Masson: Ja, es gibt viele Fragen, die ich ihm sehr gerne stellen würde. Ganz abgesehen von der Frage des sexuellen Missbrauchs, würde ich ihn fragen, was er vom Trauma im Allgemeinen hielt und wie wichtig es für ihn war. Ich würde auch gerne mit ihm über bestimmte Bücher, die er aus Frankreich mitgebracht hatte reden: welche hat er davon gelesen? Und natürlich würde ich gerne mehr über seine Gefühle für Sandor Ferenczi wissen. Außerdem, falls ich den Mut gehabt hätte, würde ich ihn fragen, ob er wusste, dass seine Tochter homosexuell war und ob es ihn gestört hätte. Ich hoffe, er hätte nein gesagt!
DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud? Jeffrey Moussaieff Masson: "Ein Mann kann eine Frau viele Jahre lang lieben und es erst Jahre später wissen."
Tatsächlich gibt es wahrscheinlich hunderte von Freudzitaten, die ich liebe! Er war ein großer Schriftsteller, und meiner Meinung nach, der beste Stylist aller wissenschaftlichen Schriftstellern, die ich je gelesen habe, sogar Darwin!
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!
Kontakdaten des Autors:
Jeffrey Moussaieff Masson