IM GESPRĂ„CH MIT
Autor/in: SUDHIR KAKAR / DWP
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor.
Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Sudhir Kakar zu begrüßen:
Psychoanalytiker, Romanautor und ein Gelehrter auf dem Gebiet der Kulturpsychologie und der Religionspsychologie. Er war Dozent an der Harvard Universität, Senior Fellow am Zentrum für Studien der Weltreligionen an der Harvard Universität, als auch Gastprofessor an den Universitäten von Chicago, McGill, Melbourne und Hawaii. Er war auch ein Fellow am Institute of Advanced Study, Princeton, Wissenschaftskolleg, Berlin und Fellow am Zentrum für Höhere Studien für Geisteswissenschaften an der Universität zu Köln.
Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören der Kardiner Award von der Columbia University, der Boyer Preis für psychologische Anthropologie der American Anthropological Association, Deutschlands Goethe-Medaille, Rockefeller Residency, McArthur Fellowship, und das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Er ist der Präsident der Delhi chapter of Indian Psychoanalytic Society und im Vorstand der Freud Archive, Kongressbibliothek.
Kakar ist der Autor von achtzehn Sachbüchern und fünf Romane. Sein neuestes Buch ist
Young Tagore: The makings of a genius (Penguin-Viking, 2013). Seine Bücher wurden in zweiundzwanzig Sprachen übersetzt.
DWP: Was brachte Sie zur Psychoanalyse? Sudhir Kakar: Eine zufällige Begegnung und lange Gespräche mit Erik Erikson, als er nach Indien kam, um sein Buch über Gandhi zu schreiben. Ich war Ingenieurökonom zu der Zeit und in einer sogenannten Identitätskrise. Ich hatte das Glück, die Person zu treffen, die diesen Begriff geprägt hatte und war so von ihm eingenommen, dass ich werden wollte, was er war - ein Psychoanalytiker.
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden. Gibt es konkrete Fragen? Sudhir Kakar: Ich würde gerne mit ihm über die Universalität versus der kulturellen Relativität von vielen psychoanalytischen Konzepten sprechen. Meine Frage wäre: "Glauben Sie, dass irgendein Mensch, auch ein Genie wie Sie, seine kulturelle und historische Prägung überwinden kann? Wäre es nicht nötig, die Psychoanalyse, wo sie auch angewendet wird, auf verschiedene Familiensysteme, religiöse Überzeugungen und kulturelle Werte, die von denen des bürgerlichen Europa, in dem die Psychoanalyse ihren Ursprung hatte, anzupassen?
DWP: Stoff- oder Ledercouch? Sudhir Kakar: Stoff. Indien ist ein sehr warmes Land; Leder wäre schnell verschwitzt und unangenehm.
DWP: Ganz nach Bruno Bettelheim, der auf die Bedeutung vom Märchen hinwies. Verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens? Sudhir Kakar: Was ich in meiner Kindheit hörte, waren indische Mythen und Legenden statt Märchen. Kein Zweifel, sie diente dem gleichen Zweck, aber das Publikum wäre mit ihnen nicht vertraut.
DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. besonders gut und gibt es etwas was Sie an ihr nicht mögen? Sudhir Kakar: Was ich gut in der Psychoanalyse finde, sind die Ikonoklasten, ihr individuelles und soziales emanzipatorisches Potential. Was ich eine Schwäche finden, ist ihr (unbewusster) westlicher kultureller Ethnozentrismus in einigen ihrer Theorien und Modelle.
DWP: Welchen Herausforderungen mussten Sie sich während Ihrer analytischen Ausbildung stellen? Sudhir Kakar: Da ich in Deutschland ausgebildet wurde, war die größte Herausforderung der sehr unterschiedliche kulturelle Hintergrund. Mit anderen Worten, wenn wir während einer Sitzung uns manchmal plötzlich fremd wurden, weil jeder von uns sich in seinem eigenen spezifischen kulturellen Unbewussten fest gefahren hatte, die aus einem mehr oder weniger geschlossenem System von kulturellen Repräsentationen bestanden, die nicht leicht dem Bewusstsein zugänglich waren.
DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud? Sudhir Kakar: Ja, und es stammt aus Massenpsychologie und Ich-Analyse: „Aber ich möchte es nicht, denn ich vermeide gern Konzessionen an die Schwachmütigkeit. Man kann nicht wissen, wohin man auf diesem Wege gerät; man gibt zuerst in Worten nach und dann allmählich auch in der Sache.“
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!
Kontakdaten des Autors:
Sudhir Kakar