IM GESPRÄCH MIT
Autor/in: ELIZABETH ANN DANTO / DWP (TVP)
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor. Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Elizabeth Ann Danto aus New York, U.S.A. zu begrüßen.
Sie ist emeritierte Professorin am Hunter College der City University in New York und eine internationale Dozentin für die Geschichte der Psychoanalyse als Denksystem und ein Kennzeichen der urbanen Kultur. Sie ist Autorin von
Historical Research (Oxford University Press, 2008) und ihr Buch
Freuds Free Clinics – Psychoanalysis and Social Justice, 1918–1938 (Columbia University Press, 2005) erhielt den Gradiva Book Award und den Goethe-Preis. Mit Alexandra Steiner-Strauss hat Dr. Danto kürzlich das Buch
"Freud / Tiffany: Anna Freud, Dorothy Tiffany Burlingham and the "Best Possible School" (Routledge, 2018) herausgegeben.
DWP: Was brachte Sie zur Psychoanalyse?Elizabeth Ann Danto: Ich bin durch Anna Freud zur Psychoanalyse gekommen. Anfang der achtziger Jahre arbeitete ich im Familiengerichtgericht Manhattan in der Abteilung Zuständig für Adoptionen und Pflegefamilien und ich hatte das Glück Richterin Nanette Dembitz zugeteilt zu werden. Ich werde nie vergessen, wie Richter Dembitz Sozialarbeiter und Rechtsanwälte dazu gebracht hat, Lösungen zu suchen, die für das sich entwickelnde Kind, die kleinsten und verletzlichsten Klienten des Gerichts, wirklich die besten waren. Dembitz folgte dem Buch
Beyond the Best Interests of the Child. Ich war noch nie so inspiriert und habe diese Bücher nie vergessen. Ich wusste damals noch nicht, dass eine Idee wie "das Recht des Kindes auf Sicherheit" aus dem Wien der 1920er Jahre stammte und der Begriff "Kinderzeit", ein Begriff, der Entwicklungsbedürfnisse und -prozesse anerkennt, die die meisten Erwachsenen vergessen oder leugnen, tatsächlich von Anna Freud stammt.
Ich mich vielleicht intuitiv von Anna zu Sigmund bewegt, aber sicherlich nicht in einer geraden Linie. Ich wurde in den 1960er Jahren volljährig, ermutigt und inspiriert durch Simone de Beauvoirs Vorstellungen von Gleichheit und Fürsprache. Als Sozialarbeiterin wurde ich dann stark von Dr. David Smith und der
Free Medical Clinic von Haight Ashbury beeinflusst. Obwohl ich in den 70er Jahren Freud las, fragte ich mich, warum die psychoanalytische Theorie bei einer Leserin wie mir, dessen Identitätsgefühl untrennbar mit liberaler oder radikaler Politik verbunden ist, als „echt“ oder „wahr“ schwingen konnte? Denn die Psychoanalyse ist, wie ich bald entdeckte, die große Theorie der Emanzipation, nach der ich gesucht hatte.
DWP: Was fasziniert Sie an der Psychoanalyse besonders?Elizabeth Ann Danto: Das sie auf so vielen Levels interagiert. Das psychoanalytische System hilft uns Individuen, Paare, Gruppen und Familien zu verstehen sowie Organisationen und Gemeinschaften. Sobald man mit Grundlagen wie dem Strukturmodell und der Verteidigung vertraut ist, können wir die Bandbreite der menschlichen Erfahrung von der Projektion bis zur Anpassung untersuchen.
DWP: Welche Rolle spielt die Psychoanalyse als Therapieform für Sie, haben Sie einen Bezug dazu?Elizabeth Ann Danto: Die Psychoanalyse ist ein guter Ausgleich, weil sie das Unbewusste respektiert und das Unbewusste keine soziale Schicht hat.
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden? Gibt es konkrete Fragen?Elizabeth Ann Danto: Was ist Ihre Metapsychologie? Wo sind die fehlenden Papiere?
DWP: Stoff- oder Ledercouch?Elizabeth Ann Danto: Stoff, weil es das Produkt der menschlichen Fantasie ist; es reflektiert die Kultur, Geschichte und die Ideen über den Körper. Zu einem gewissen Grad auch die sozialen Klassen.
DWP: Bruno Bettelheim wies auf die Bedeutung von Märchen im Kindesalter hin. Verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens? Elizabeth Ann Danto: Ich bin nicht an Märchen interessiert. Ich bevorzuge es mich mit dem wirklichen Leben zu beschäftigen.
DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. sehen Sie auch Gefahren die von Ihr ausgehen können?Elizabeth Ann Danto: In falschen Händen, oder missverstanden kann alles negative Folgen haben. Ohne Zweifel, gibt es Psychoanalytiker, die das ungleiche Machtverhältnis zwischen Patienten und Therapeut manipuliert haben. Die Gefahr wird noch größer durch die Verletzlichkeit des Patienten (etwa durch Inzestkinder oder illegale Einwanderer) und durch die sondierende Art und Weise der Behandlung selbst.
DWP: Verraten Sie uns ihr Lieblingszitat? Von Freud oder einem anderen Psychoanalytiker? Elizabeth Ann Danto: „Je mehr wir glauben, desto weniger wissen wir.“ Virginia Woolf aus Orlando. Die Versuchung besteht darin es etwas abzuändern, um es einfacher zu machen (Je mehr wir wissen, desto weniger glauben wir), aber Woolf will uns überraschen. Freud hat eindeutig erkannt, dass wir unsere Fantasie benutzen, um mit unserem Unbehagen im Angesicht mit etwas Unbekannten umzugehen. Und wenn wir nicht vorsichtig sind, wird laut Freud und Woolf, die Fantasie die Realität verdrängen.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!