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Leitartikel


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(Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen oder weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.)

“Auf Wiedersehen, Rainer”

Autor/in: Sabrina Zehetner (DWP)

(14.02.2018)
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"Ich bin Erinnerungen treu für immer, Menschen werde ich es niemals sein."

Die zahlreichen (1539!) und unterhaltsamen Briefe Freuds an seine Verlobte Martha Bernay erfreuen sich nach ihrer Veröffentlichung 2011 noch immer großer Beliebtheit. Sie beleuchten eine Seite Freuds, die so ganz und gar nicht der allgemeinen Vorstellung entspricht. Hier flirtet der sonst so ernste Psychoanalytiker, macht Komplimente und wirbt um die Zuneigung seiner Angebeteten.  

Rilke stand Freud, nach seinem Briefwechsel mit Lou Andreas-Salomé zu urteilen, in Sachen intensives Liebeswerben in nichts nach. Die 35-jährige Lou Andreas-Salomé lernte den 14 Jahre jüngeren Rainer Maria Rilke 1897 im Zuge seines Studiums in München kennen.  Die Liebesbeziehung, die kurze Zeit später aus dieser Begegnung entstand, wird heute unterschiedlich interpretiert. Zweifellos geht aus den Briefen eine auf Gegenseitigkeit beruhende Bewunderung hevor.  

Schon bevor sie sich das erste Mal trafen, hatte Rilke Salomé auf ein Podest gestellt, das sich nur mit großer Anstrengung verlassen ließ. Diese recht einseitig anmutende Dynamik machte ihre Beziehung intensiv, ihre Liebe jedoch war zeitweise auch unbeständig und toxisch. Liest man die Briefe, so fällt auf, dass Rilkes seelisches Befinden und Schaffen zumeist im Mittelpunkt stehen. Salomé wirkt beinahe wie eine Projektionsfläche für den Künstler und wird außerhalb dieser von dem Dichter nur begrenzt wahrgenommen. Die sich schnell entwickelnde emotionale Abhängigkeit verstörte Lou Andreas-Salomé und sie reagierte auf diese hemmungslose Verehrung immer häufiger mit Zurückhaltung und Distanz. Trotzdem ließ ihr Einfluss auf den Dichter nicht nach. Als sie u.a. dessen poetische Übertreibungen kritisierte, veranlasste dies den Literaten seinen Vornamen zu ändern - aus dem romantisch klingenden René wurde Rainer.

Für den Dichter war die Intellektuelle Psychoanalytikerin eine nicht versiegende Quelle der Inspiration - Salomé machte ihn mit Nietzsche und der russischen Kultur und Sprache vertraut. Freud würde später sagen, dass sie für Rilke „Muse und sorgsame Mutter“ war. Denn Rilke hatte Schwierigkeiten, sowohl mit sich selbst als auch mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Salomé ist zu dieser Zeit in einer recht unorthodoxen Beziehung mit dem Iranisten Friedrich Carl Andreas. Nach Salomés Reise mit Rilke nach Russland, bricht sie zunächst den Kontakt ab, bis sie ihn auf Rilkes Beharren hin Schritt für Schritt wieder aufnimmt.

Diese liebevolle Härte war aus ihrer Sicht notwendig, denn sie war sich Rilkes labilen psychischen Zustand bewusst und es brauchte vielleicht eine selbstbewusste und starke Frau wie Salomé, um mit dieser toxischen Labilität umgehen zu können und sich ihr auch bewusst zu entziehen. So lehnt sie schlussendlich eine psychoanalytische Behandlung Rilkes vehement ab. Trotzdem oder vielleicht gerade auf Grund dieser unüberwindbaren Hürden sollte die enge Freundschaft der beiden bis zu Rilkes Tode überdauern.


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