IM GESPRÄCH MIT
Autor/in: OMNIA EL SHAKRY / DWP
In unserer Interviewreihe "im Gespräch mit" stellen wir kurz die Autoren der Leitartikel vor. Damit wollen wir unseren Usern die Möglichkeit geben, die Leitartikel auch aus einer anderen Perspektive heraus lesen zu können.
Diese Woche freuen wir uns ganz besonders
Omnia El Shakry aus Kalifornia, U.S.A. zu begrüßen:
Studium der Psychologie an der American University in Kairo, anschließend einen Master of Arts in Near Eastern Studies an der New York Universität und anschließend MA in Geschichte an der Princeton Universität. Ihre Doktorarbeit wurde veröffentlicht unter dem Titel
The Great Social Laboratory: Subjects of Knowledge in Colonial and Postcolonial Egypt (2007). Seit 2002 Professorin an der Universität von Kalifornien, Davis, wo sie Weltgeschichte und moderne Nahostgeschichte lehrt. Neueste Bucherscheinungen:
Gender and Sexuality in Islam (ed. 2016) and
The Arabic Freud: Psychoanalysis and Islam in Modern Egypt (2017).
DWP: Was brachte Sie dazu sich mit der Psychoanalyse zu beschäftigen, beziehungsweise mit Freud und seinen Errungenschaften? Omnia El Shakry: Als Student an der Amerikanischen Universität in Kairo studierte ich Psychologie und hatte ein intensives Interesse an Psychopathologie - besonders im Zusammenhang mit Schizophrenie und Sprache, und der Antipsychiatrie-Bewegung allgemein. Damals habe ich Sigmund Freud gelesen, ebenso Texte von feministischen Psychoanalytikern wie Juliet Mitchell. Außerdem versuchte ich aufgrund persönlicher Schwierigkeiten verschiedene Formen der Psychotherapie und fand, dass ich die dyadische Intensität des klinischen Raums liebte - so sehr, dass ich ursprünglich geplant hatte das Studium mit einem Abschluss in klinischer Psychologie zu beenden, aber mein Leben nahm schließlich eine andere Wendung.
DWP: Haben Sie sich je einer Psychoanalyse unterzogen?Omnia El Shakry: Eigentlich schon, aber nicht in einem traditionellen Sinne. Ich war einige Jahre in New York in Behandlung mit einem Psychoanalytiker, wir trafen uns zweimal wöchentlich und es war ein unglaublich intensiver Prozess, obwohl es vielleicht nicht den Richtlinien einer "richtigen" Analyse entsprach (d.h. 4-5 Mal pro Woche auf der Couch).
DWP: Wenn Sie die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sigmund Freud hätten, was würde wohl zum Thema werden? Gibt es konkrete Fragen?Omnia El Shakry: Es gäbe so viele Dinge zu besprechen. Aber ich denke, ich würde ihn nach Jenseits des Lustprinzips und seinen Gedanken über den Wiederholungszwang fragen und darüber, ob es einen "analytischen" Wiederholungszwang geben könnte, im Hinblick darauf, dass man immer wieder zu den gleichen Patienten und Fällen zurückkehrt.
DWP: Stoff- oder Ledercouch?Omnia El Shakry: Ich mag den Gedanken von einer Ledercouch, aber ich bevorzuge Stoff.
DWP: Ganz nach Bruno Bettelheim, der auf die Bedeutung vom Märchen hinwies - Verraten Sie uns Ihr Lieblingsmärchen? Und erkennen Sie Parallelen zur Entwicklung Ihres Lebens? Omnia El Shakry: Ich bin mir nicht so sicher was Märchen anbelangt, aber ich bin sehr angetan von zwei speziellen Mythen: Der erste ist der Mythos von Persephone, die von Hades in die Unterwelt entführt wurde; Nachdem sie Granatapfelkerne gegessen hatte, wurde ihr befohlen einen Teil des Jahres in der Unterwelt zu leben. In der Nacherzählung des Mythos werden die Monate in der Unterwelt zur Grundlage für die Trostlosigkeit des Winters, während in den Monaten, in denen Persephone mit ihrer Mutter Demeter wiedervereint wird, Ernte und Fülle reichlich vorhanden sind. Der zweite Mythos ist der von Arachne, die Athena in einem Wettstreit in der Webkunst herausforderte und wegen ihres Talents von Athena in eine Spinne verwandelt wurde.
Zusammenfassend enthüllen diese Mythen die Dualität im Herzen des Lebens (Trostlosigkeit und Fülle, Hybris und Bosheit), das Verlangen, sich den Göttern zu widersetzen, und die Möglichkeit der menschlichen Metamorphose. Die bloße Existenz von Spinnen und Winter bedeutete für mich immer, dass wir Mythen als Teil unseres täglichen Lebens erleben.
DWP: Ich träume….Omnia El Shakry: Wir sind umgeben von Kriegen und trotzdem träume ich von einer Welt ohne Kriege. Ich befürchte es ist ein unerreichbarer Traum.
DWP: Was finden Sie an der Psychoanalyse gut bzw. besonders gut und gibt es etwas was Sie an ihr nicht mögen? Was ich an der Psychoanalyse am meisten schätze, ist das Beharren auf der Präsenz des Unbewussten und der letztendlichen Unerkennbarkeit des menschlichen Subjekts, verbunden mit einer radikalen Offenheit und ethischen Verpflichtung gegenüber dem Anderen. Gleichzeitig besteht innerhalb der Psychoanalyse eine Spannung, nämlich dass, obwohl einige Theorien die Undurchsichtigkeit des Menschen betonen, andere die Transparenz und Erkennbarkeit des Menschen anstreben, was eine gefährliche Tendenz darstellt, die dazu führen könnte, dass die Psychoanalyse von politischen Autoritäten (Parteien) ausgenutzt wird.
DWP: Haben Sie ein Lieblingszitat von Freud? Ich habe mir erlaubt zwei zu wählen:
„Es ist eine hervorragende Besonderheit unbewusster Vorgänge, dass sie unzerstörbar bleiben. Im Unbewussten ist nichts zu Ende zu bringen, ist nichts vergangen oder vergessen.“
Freud, Die Traumdeutung„Wenn wir es als ausnahmslose Erfahrung annehmen dürfen, dass alles Lebende aus inneren Gründen stirbt, ins Anorganische zurückkehrt, so können wir nur sagen: Das Ziel alles Lebens ist der Tod. Und zurückgreifend: Das Leblose war früher da als das Lebende.“
Freud, Jenseits des Lustprinzips Band XIII DWP: Außer Sigmund Freud, gibt es Psychoanalytiker mit denen Sie sich auch gerne auseinandersetzen? Omnia El Shakry: Aber natürlich! Ich lese gerne Melanie Klein, Jacques Lacan und Wilfred Bion. Zurzeit lese ich gerade die Werke von André Green und Mahmud Sami-Ali, die beide in den 1920er Jahren in Ägypten geboren wurden.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, wir freuen uns bereits jetzt Alle auf Ihren Leitartikel!