DER WIENER PSYCHOANALYTIKER möchte nicht nur bereits international etablierten Psychoanalytikern/Innen, sondern auch noch unbekannten Psychoanalytikern/Innen die Gelegenheit geben einen selbstverfassten, bisher noch nicht publizierten Artikel auf der Titelseite unseres Onlinemagazins zu posten!
Im Forum werden dann dazu alle User Stellung nehmen, Fragen formulieren und kommentieren können. Wir wollen dadurch einen bisher so noch nicht dagewesenen, internationalen Gedankenaustausch zwischen Psychoanalyse-Interessierten ermöglichen.
Aktuelle Textsprache ist Deutsch und/oder Englisch.
Bei Interesse, Ihre Zusendungen bitte an:
leitartikel@derwienerpsychoanalytiker.at
(Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen oder weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.)
Das Buch
Mit der Buchidee im Hinterkopf, entwickelten wir das Symposium, deren Teilnehmer dazu eingeladen wurden, jedes relevante Thema ihrer eigenen Wahl und ihres persönlichen Interesses auszuwählen. Das Material sollte jedoch neu, originell und unveröffentlicht sein. Die resultierenden Aufsätze sollten Geschichten erzählen, in denen Theorie, Praxis und Geschichte integriert waren. Zur Burlingham-Kernsammlung haben wir über hundert Archivfotos von Thomas Aichhorn aus Wien, dem Leo-Baeck-Institut in New York, dem Sigmund Freud Museum in Wien, dem Freud Museum London und anderen institutionellen und privaten Sammlern hinzugefügt. Das Buch sollte ursprünglich von Karnac Books veröffentlicht werden. Es blieb letztendlich Teil der History of Psychoanalysis Buchreihe, wurde jedoch von Routledge im Januar 2019 veröffentlicht.
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Wie so viele New Yorker Geschichten entstand auch das Freud/Tiffany Projekt aus einer zufälligen Begegnung im Metropolitan Museum of Art. Vor ungefähr sechs Jahren traf ich Michael Burlingham, den Enkel von Dorothy Tiffany Burlingham, als er gerade angefangen hatte, die Gegenstände und Dokumente im Nachlass seines Vaters zu inventarisieren. Wir reden hier von Bob Burlingham, dem ältesten Sohn von Dorothy. Als Jugendlicher hatte Bob hunderte Fotos gemacht und die Zelluloidstreifen seiner Foto- und Filmnegative horizontal in ein Album gelegt. >> weiter
„Wenn die Gesellschaft in Gefahr ist, liegt das nicht an der Aggressivität des Menschen, sondern an der Verdrängung der persönlichen Aggressivität bei jedem einzelnen“ (Winnicott, 1991)
Die Wurzel des Wortes Aggression liegt im Lateinischen „aggredi“ (Deponens), was einerseits mit „angreifen, überfallen“, und andererseits mit „voranschreiten, (etwas) in Angriff nehmen“ übersetzt werden kann. Die erste Übersetzung streicht die Feindseligkeit (Destruktivität) dieses Begriffs heraus, während die andere das konstruktive Potential unterstreicht. Beide Varianten sind legitime Deutungen des Aggressionsbegriffs. Genau diese Mehrdeutigkeit ist es, die die Diskussion um die Aggression so delikat werden lässt. Die meisten Menschen assoziieren Aggression ausschließlich mit Destruktion und Antisozialität. Die Wahrnehmung eigener aggressiver Impulse verursacht Gefühle der Angst oder Schuld und muss verdrängt, abgespalten oder in Form von Widergutmachungshandlungen kompensiert werden.
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Esther Menakers Einstellung und Beziehung zu Anna Freud war das genaue Gegenteil von Freundschaft, oder gar Respekt. Menaker wurde von Anna Freud psychotherapeutisch analysiert, weil Menaker, wie Anna Freud, ein starkes Interesse an der Kinderanalyse hatte. In der Psychoanalyse gab es zu jener Zeit zunächst wenig Interesse an Kindern, da sie sich stark auf Fragen der Sexualität konzentrierte, die für Kinder als nicht relevant angesehen wurden. Wie Menaker hervorhebt: "Die allgemeine Einstellung gegenüber Kindern war, dass sie, was auch immer Probleme haben mögen, sie im Laufe der Zeit entwachsen würden". >> weiter
Die Wiener Schule der Psychoanalyse mit ihrem Schöpfer und Hauptvertreter Sigmund Freud (1856-1939) stieß auf großes Interesse in den USA und wurde besonders prominent, als Freud 1909 die USA besuchte. Psychoanalytisch interessierte Amerikaner strömten nach dem Ersten Weltkrieg nach Wien, bis die Nationalsozialisten die Metropole 1938 übernahmen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sigmund Freud, zusammen mit seiner Tochter, Anna (1895-1982) und viele ihrer (oft jüdischen) Freunde und Patienten, die Stadt und das Land bereits verlassen. >> weiter
Das Goldene Zeitalter der Neurowissenschaften ist angebrochen, während die Psychoanalyse noch immer mit ihrem schlechten Ruf zu kämpfen hat - Ist die Neuropsychoanalyse eine Bedrohung oder Verbündete im Kampf um die Glaubwürdigkeit? Wir haben Prof Dr. Ariane Bazan, eine führende Wissenschafterin der Neuropsychoanalyse und Professorin für Klinische Psychologie an der Université Libre de Bruxelles, interviewt. >> weiter
Tatoi, einer der schönsten Wälder von Attika, am Fuße des Berges Parnitha gelegen, befindet sich mit einer Fläche von 47 427 Hektar etwa 20 km nördlich des Zentrums von Athen.
MARIE BONAPARTE: Η ΠΡΙΓΚΙΠΙΣΣΑ ΤΗΣ ΨΥΧΑΝΑΛΥΣΗΣ
Κτήμα Τατοΐου: ένα από τα ωραιότερα δάση της Αττικής στους πρόποδες του όρους Πάρνηθα, έκτασης 47.427 στρεμμάτων, που βρίσκεται σε απόσταση 20 περίπου χιλιομέτρων, βόρεια από το κέντρο της Αθήνας.
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"Freud is upsetting: reducing one to whirlpool; & I daresay truly. If we´re all instinct, the unconscious, what´s all this about civilisation, the whole man, freedom &c?”. Virginia Woolf war hin-und hergerissen, was die Psychoanalyse betraf. Einerseits betrachtete Woolf die Psychoanalyse als Bedrohung und Konkurrenz, andererseits gab sie ihr Orientierung. Vielleicht waren die rationalen Beobachtungen Freuds auch zu realitätsnah für die schwermütige Autorin.
Als Virginia Woolf auf Freud traf, wehrte sie sich nach wie vor gegen die raison d´être der Psychoanalyse und beschrieb den Arzt als “screwed up shrunk very old man”, der „inarticulate: but alert” zu sein schien, “an old fire now flickering” mit “immense potential”. Diese Ambivalenz würde ihre Meinung zur Psychoanalyse ein Leben lang prägen. Das Feld war zu rational, zu objektivierend für die Autorin und ihrer romantisierenden Herangehensweise an ihre Arbeit und ihrem Selbstbild. Für Freud war Kreativität kein abstraktes Konzept, sondern starb verbunden mit der Biografie eines Autors. Er nahm das Rätselhafte, das Unerklärbare aus der Gleichung heraus und versuchte stattdessen die zugrundeliegenden Motive des kreativen Prozesses zu interpretieren. Es stürzte die Persona des Künstlers vom Podest und verletzte dabei den Stolz nicht weniger Autoren. Schließlich ist die Wahrheit selten so spannend wie die exzentrischen Geschichten, die Künstler um ihre Leben zu spinnen neigen. Virginia Woolf jedoch war nicht nur Opfer ihres eigenen Egos: "Virginia´s need to write was, among other things, to make sense out of mental chaos and gain control of madness. Through her novels she made her inner world less frightening. Writing was often agony but it provided the ´strongest pleasure´ she knew" (Psychiatrist Peter Dally, 1999)
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Weit mehr als 25 Jahre ist es her, dass der extrem hilfreiche Dr. Solnit und ich im Einvernehmen beschlossen, dass der Sieben-Jahre-Prozess der Psychoanalyse abgeschlossen war. Aber nur zu wissen, dass ich es für Sie schreibe, haben die Gedanken und Erinnerungen wieder ungehindert fließen lassen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich zurück in Connecticut bin, wo ich nur noch selten bin und der Ort ist, wo ich immer Dr. Solnit sah. Natürlich meine ich nicht „sehen“ da ich auf der Couch war, und nie sein Gesicht beobachtete während der 45 Minuten-Sitzungen.
Dort liegend, sah ich nur das Foto von jemandem der im rauen Wasser Kajak fuhr und von dem ich annahm, dass er der Sohn meines Arztes sei und auf der Rückseite der geschlossenen Bürotür, an einem schwarzen Brett, unter anderem, eine Postkarte von der Hauptstraße von Skibbereen, im Südwesten von Cork in Irland. Schon sehr früh in meiner Behandlung sprach ich mit Dr. Solnit häufig über diese Stadt und die Region, da meine Frau und ich unsere Flitterwochen im Jahr 1976 Angeln am Ilen River in der Nähe Skibbereen verbrachten und anschließend unser Familien Paradies in einem nahe gelegenen Küstendorf schufen. Es war mindestens schon ein Jahr nach Beginn der Analyse, als mich Dr. Solnit fragte, warum ich nicht die Szene auf der Postkarte identifiziert und erkannt hatte.
Skibbereen, erklärte er in seiner familiären Stimme, war wo er und Dr. Joseph Goldstein und Anna Freud hingingen, um Lebensmittel zu kaufen, wann immer sie zusammen in dem nahe gelegenen Dorf Baltimore waren, wo sie zusammen geforscht und geschrieben haben. Anschließend haben sich meine Frau, meine Töchter und ich auf die Suche gemacht das genaue Haus zu finden, wo Anna Freud und Dorothy Burlingham lebten. Die einzige Person, die es für uns identifizieren konnte, war eine ältere Ladenbesitzerin, eine schon etwas verrunzelte Dame, die einfach sagte: "Oh, Sie meinen die beiden deutschen Schwestern."
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Wenn ein Laie psychoanalysiert wird, ist eine der erstaunlichen Überraschungen die Entdeckung der unvorhersehbaren Weise, wie etwas passiert. Ihr Fachleute mögt vielleicht sagen, dass Sequenzen von Gedanken und Ereignissen in der Tat vorhersehbar oder zumindest verständlich sind oder, wenn keines von beiden zutrifft, es analysierbar ist. Aber für diejenigen von uns, die denken, dass wir ungewöhnlich gut sind, wenn wir genügend Erkenntnis haben, um daraus rechtzeitig zu erkennen, dass wir, wenn unser Gegner beim Tennis einen geschickten Stoppball über das Netz schafft und den Ball gekonnt manipuliert hat, um ihn ganz leicht auf das Aufschlagfeld fallen zu lassen, laufen müssen als ob Höllenhunde hinter uns her sind, um den Ball noch zu erreichen und immer noch eine Chance zu haben, den Punkt zu gewinnen, sind weit weniger geschickt in unserem Alltag zu erkennen, warum ein Ereignis oder ein Gefühl zu einem anderen geführt hat. Wenn eine weitere intuitive Anerkennung von Ursache und Wirkung uns dazu bringt, den uns herausfordernden Stoppball in einem scharfen Winkel zurückzuschlagen und den Punkt zu gewinnen, sind wir überrascht, dass wir so viel scharfsinniger sind als wir dachten. Wir Laien, verstehen Sie, wissen nicht so bewusst, warum wir in unserem Leben so reagieren, wie wir es tun. Die Gründe für Reaktionen, die tiefer gehen, als die in einem Tennisspiel, entgehen uns.
Sie fragen sich vielleicht, wieso meine Analogie vom Tennis kommt. Es liegt vor allem an Ihren Fragen, zumindest in meiner Erfahrung, dass diejenigen von uns, die an den analytischen Prozess glauben, den größten Fortschritt machen. Wir werden später zu Tennis zurückkehren.
Wenn ich von einem „Laien" spreche, dann meine ich Leute wie mich, einer jener hochgebildeten, hinreichend glücklichen, neurotischen Individuen, die sich im traditionellen Sinne des Wortes der Psychoanalyse unterziehen. Um zu verdeutlichen, was dieser Satz bedeutet, werde ich Ihnen meine eigenen Besonderheiten erklären.
Beginnen wir mit "hochgebildet":
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„Nur wenn die Mutter ihr Baby für einzigartig genug hält und ihm zutraut, ihre bewussten und unbewussten Wünsche zu erfüllen, ist sie in der Lage, ihre eigenen narzisstischen Bedürfnisse nach der Geburt zeitweise zu missachten, denn diese Wünsche sind nun auf das Baby verschoben.“ (Brazelton und Cramer 1991 zit. n. Schleske 2008, 22)
Die Schwangerschaft wie auch die Mutterschaft wurden bis heute wenig bis kaum unter dem Aspekt der inneren Wahrnehmung für die Frau beleuchtet.
Da die Mutter in der Zeit während der Schwangerschaft großen Veränderungen in ihrem körperlichen und psychischen Empfinden unterliegt, ist es von großer Wichtigkeit der Schwangerschaft mehr Augenmerk zu schenken. Aus diesem Grund führte ich im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit eine Studie über Träume von Schwangeren durch. Die Träume der Schwangeren dienen als Hilfsmittel, um zu den unbewussten Konflikten, Wünschen, Ängsten und Bedürfnissen in der Zeit der Schwangerschaft zu gelangen. Im vorliegenden Artikel werde ich nur kurz auf meine durchgeführte Studie eingehen und das Hauptaugenmerk auf die Bedeutung der Schwangerschaft für die Frau setzen.
In dieser sehr bedeutenden Veränderung für die Frau treten Phantasien über das ungeborene Kind auf und werden häufig schnell wieder verdrängt, da sie Angst auslösen. Ebenfalls werden auftretende Wünsche, die in Verbindung mit dem ungeborenen Baby stehen, wieder verdrängt, da diese auch Ängste der Unwissenheit hervorrufen können. In dieser Zeit verschieben sich die Bedürfnisse der Mutter auf das Baby.
So kommt es, dass bei vielen Frauen in der Zeit der Schwangerschaft während des Schlafes vermehrt Träume auftreten. Im Traum zeigen sich die verdrängten Wünsche und Ängste, die im Wachleben unbewusst bleiben. Jörg Baltzer (vgl. 2008, 77), ein deutscher Gynäkologe, schreibt hierzu, dass während der Schwangerschaft vermehrt Alpträume auftreten, die hauptsächlich die Verantwortung der Frau gegenüber dem Partner und dem Kind widerspiegeln. Er ist auch der Meinung, dass jede Schwangerschaft, sei sie auch noch so ersehnt, niemals frei von Konflikten ist; diese Konflikte spiegeln sich im Traum wider.
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Durch die Entwicklung der Sexualtheorie, machte Freud einen entscheidenden Beitrag zur Neukonzipierung vom Prozess der Reifung, sowie der Grenzen die die Sphäre der Kindheit von der des Erwachsenen trennt. Ausgehend von Freuds Modell des Reifungsprozesses und die Kombination von Freuds Modell mit seiner eigenen Postmodernistischen Sprachphilosophie entwickelte Lyotard eine neue Perspektive um mit diesen Phänomen umzugehen.
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In seinem Essay „Emma: zwischen Philosophie und Psychoanalyse“ [In „Emma: zwischen Philosophie und Psychoanalyse“ beschäftigt sich Lyotard mit dem Freud Fall Emma. Sie kann ihre Angst vor dem Einkaufen zu einem Vorfall zurückführen wo sie zwölf Jahre alt war und sie in Panic den Laden verließ, als sie zwei Angestellte beobachtete die lachten. Freud konnte dies auf ein früheres traumatisches Ereignis zurückführen, welches Emma selbst verdrängt hatte – als Emma acht Jahre alt war, hatte ein Ladenbesitzer ihre Genitalien durch ihre Kleidung begrapscht]. Lyotard macht eine Unterscheidung zwischen dem Affekt-Satz der Kindheit und der artikulierte Sprache eines Erwachsenen. In seinen eigenen Worten sind diese Sprachspiele, die anthropologisch gesprochen eine reine Affektivität sind, [....] die mit der Kindheit verbunden ist.“ [Ibid., 44].
Der Affekt-Satz der Kindheit verfügt nicht nur nicht über die „Ich“ Instanz, sondern es fehlen auch Empfänger. Somit ist der Affekt-Satz eine Präsenz, die niemanden adressiert, weder als Frage noch als Antwort.
In Folge dessen fehlt dem Affekt-Satz die benötigte Instanz, um am herum zirkulierenden Hausverstand teilnehmen zu können, die den Erwachsenen ermöglicht sich zu artikulieren. Diese Fähigkeit ist notwendig um Sätze miteinander zu verknüpfen.
Dieser Affekt-Satz ist nicht signifikant, weder dazu bestimmt noch hin verwiesen. Neben der "reinen" Kindheit, bringt der Affekt-Satz keine Erwartung mit sich, da eine Erwartung eine Verknüpfung erfordert. Doch trotz der Tatsache, dass er von allen grundlegenden Eigenschaften der Phrasen beraubt wird, besteht Lyotard darauf, dass seine "Präsenz" alleine ausreicht, um diese eine Phrase zu nennen, deswegen also die Forderung/Behauptung, dass es ein konstitutiver Teil der Sprache ist.
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Lou Andreas-Salomé ist vielen von uns für ihre Beziehungen zu prominenten Vertretern des deutschen Geisteslebens wie Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und Sigmund Freud bekannt. Folgendes Zitat Freuds brachte mich darauf, dass sie nicht nur als Psychoanalytikerin praktizierte, sondern auch Beiträge zur psychoanalytischen Theorie leistete. Freud schrieb anlässlich ihres Todes im Februar 1937: „Die letzten 25 Lebensjahre dieser außerordentlichen Frau gehörten der Psychoanalyse an, zu der sie wertvolle wissenschaftliche Arbeiten beitrug und die sie auch praktisch ausübte.“
Ähnlich wertschätzend schrieb Freud über ihre Arbeit „Mein Dank an Freud“: „Es ist gewiss nicht oft vorgekommen, dass ich eine psa. [psychoanalytische] Arbeit bewundert habe, anstatt sie zu kritisieren. Das muss ich diesmal tun. [...] Gelänge es, was Sie mit hauchdünnen Pinselstrichen hinmalen, zur Greifbarkeit zu vergröbern, so hätte man vielleicht endgültige Einsichten in Besitz genommen.“
Im Gegensatz zu Freuds außergewöhnlich großer Wertschätzung ihrer Arbeiten fristen Lou Andreas-Salomés psychoanalytischen Beiträge - so Inge Weber und Brigitte Rempp (1990) ein Schattendasein. Ihrer Meinung nach zu Unrecht, „... zumal ihre Ideen zum Narzissmus und zur Weiblichkeit in der gegenwärtigen psychoanalytischen Literatur anklingen.“
Auch Lorrain Markotic schrieb in der American Imago 2001: „That Andreas-Salomé´s writings have received so little attention is especially regrettable in light of the many ways in which they anticipate current discussions“ (S. 813). Er meint, ihr besonderer Beitrag läge im Bereich der Theorie der Entwicklung des Selbst.
Um Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich selbst einen Eindruck von Lou Andreas-Salomés psychoanalytischen Arbeiten machen zu können, möchte ich ihre - als bedeutsamsten Beitrag geltende - Narzissmustheorie vorstellen. In ihrem 1920 in der Imago veröffentlichten Aufsatz Narzissmus als Doppelrichtung schreibt sie, dass für sie der Narzissmus „... unser Stück Selbstliebe alle Stadien begleitend ...“ sei. (Andreas-Salomé, 1920, S. 191) Sie versteht den Narzissmus so wie Freud als Selbstliebe, die in Objektliebe übergehe und nach Bedarf auch wieder auf sich selbst zurückgezogen werden könne. Für Lou Andreas-Salomé ist der Narzissmus ein Grenzbegriff, über den sich unser Verstehen und Erkennen nicht reichen kann. Für sie ist Narzissmus gleichbedeutend mit dem Unbewussten.
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