Essstörungen wie die Bulimia nervosa werden oft innerhalb eines speziell dafür ausgerichteten klinischen Settings behandelt. Aber auch in der analytischen Praxis begegnet man bulimischen Patienten. Meiner Ansicht nach ist die analytische Behandlung eine hervorragende und vielversprechende Option für eine Erkrankung wie die der Bulimie, nicht zuletzt mit dem Blick auf die Consumer Reports Study von Seligman {Seligman, 1996, 965}, die belegt, dass eine länger dauernde Psychotherapie klar im Vorteil gegenüber einer kürzeren Behandlung ist, was deren Wirksamkeit angeht.
Erfahrungsgemäß wird bei stationären Verfahren ein hoher Fokus auf die Normalisierung des Essverhaltens gelegt, es kommen verhaltenstherapeutische Interventionen zum Einsatz, es werden strukturierte Essenspläne vorgelegt und Tools aller Art eingesetzt. Oftmals kann man auch während des stationären Aufenthaltes eine relativ rasche Symptomverbesserung beobachten, die sich aber oft nicht so nachhaltig zeigt wie erwünscht. Sind die Patientinnen entlassen, fallen sie oft schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Berücksichtigt man einerseits die Abwehrorganisation der Bulimikerin mit der Aneignung eines „falschen Selbst“, ahnt man bereits, dass sie möglicherweise dazu neigen, „brave Patientinnen“ zu sein, andererseits spielt die institutionelle (und damit „mütterlich“ anmutende) Unterbringung auch eine Rolle, da die Patienten sich dort zunächst versorgt und geborgen fühlen, mit der Entlassung aber plötzlich wieder „ausgestoßen“ werden und nun all das für sich selbst übernehmen sollen, was zuvor die Institution für sie geregelt hat. Davon abgesehen scheint es bei einer Fokussierung auf die Themen Gewicht (tägliches Wiegen), Ernährung (vorgefertigte Essenspläne, genaue Überwachung) etc. beinahe so, als würde man sich auf den Abwehrmechanismus der Verschiebung der Patienten einlassen oder sich an der Rationalisierung beteiligen. Oftmals kann man hier Kämpfe beobachten (z.B. im Sinne von Gewichtszunahmen, Essensaufnahme etc.), die meiner Meinung nach völlig fehl am Platz sind und das Ziel der Behandlung gänzlich verfehlen....