Wir dürsten danach, nicht übersehen zu werden. Es soll uns ganz und heil machen, angeblickt zu werden. Vielleicht mit Bewunderung darüber, wie gut wir uns halten, wie solide wir dastehen, wie aufrecht wir davongehen. Und gleichzeitig erschrecken wir vor jedem Blick, der uns gefrieren läßt, uns auf unseren Ort fixiert, alles Leben um uns herum abgräbt und uns in eine Isolation stürzt, die die Starre des Todes ist. Gegen solchen Blick tragen wir unsere Amulette, Kleidung, Gesten, dunkle Brillen. Auf der Couch des Analytikers nicht angeschaut zu werden, befreit uns vom bösen Blick und erlaubt uns den Übergang von der Welt der Bilder zum immer freier werdenden Sprechen.
Im Konsultationszimmer von Anna Freud im Londoner Stadtteil Hampstead läuft derzeit ein Fries unter der Deckenstuckatur um den Raum. Unzählige Augenpaare von Frauen schauen herab, kein ganzes Gesicht ist zu erkennen, nur immer wieder neue Blicke. Das schmale Band ist Teil einer Installation der Londoner Photographin Bettina von Zwehl, die aus einer intensiven Beschäftigung mit dem Archiv von Anna Freud hervorgegangen ist. Behutsam, und dennoch insistierend, beiläufig, aber gesättigt mit dem Schrecken des Todes, so bringt von Zwehl das Imaginäre zurück in die Räume, in denen das Sprechen immer wieder den Triumph über die Medusa markieren soll. Wollen wir wirklich so angeschaut werden, wie es die Augenpaare unter der Decke demonstrieren? Ich würde mich am liebsten auf die Couch legen und losreden, Einspruch einlegen gegen diesen Einbruch in die geschützte, blicklose Sphäre der Analyse. Das Wort, das Wort, das Wort soll hier regieren, nicht das Auge....